Eine Erinnerungsarbeit der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
In Erinnerung an

Prof. Dr. med.
Paul Friedrich Richter
1868 - 1934

Mitglied seit 1925

Studium in Göttingen, Heidelberg und Breslau/Wroclaw

Bis 1933 Mitglied des beratenden Ausschusses der (D)GVS

Titelblatt der Dissertationsschrift, Arch H Je
Titelblatt der Dissertationsschrift, Arch H Je
Publikation Paul Friedrich Richters 1906
Publikation Paul Friedrich Richters 1906
Entzug der Lehrbefugnis 1933, <br> Quelle: Archiv Humboldt Universität Berlin, Med. Fak. 1478, Bl. 129
Entzug der Lehrbefugnis 1933,
Quelle: Archiv Humboldt Universität Berlin, Med. Fak. 1478, Bl. 129

Prof. Dr. med. Paul Friedrich Richter

  • 1‌6‌.‌0‌7‌.‌1‌8‌6‌8‌, Beuthen/ Bytom, Oberschlesien, Polen
  • 0‌8‌.‌1‌0‌.‌1‌9‌3‌4‌, Berlin
  • Mitglied seit 1925
  • Berlin
  • Facharzt für Innere Krankheiten

„Verfasser, geboren am 16. Juli 1868 zu Beuthen O / Schl., jüdischer Confession, Sohn des kgl. Sanitätsrathes Dr. S. Richter, besuchte von Ostern 1877 ab das Gymnasium meiner Vaterstadt, welches er Ostern 1885 mit dem Zeugnis der Reife verliess. Er widmete sich dem Studium der Medicin zunächst in Göttingen, woselbst er am 26. Februar 1887 die ärztliche Vorprüfung bestand. Während des Sommersemsters 1887 studierte er in Heidelberg und bezog Michaelis 1887 die Universität Breslau. Hier beendete er am 19. Februar 1890 die ärztliche Staatsprüfung“, so Richter im Lebenslauf in seiner Dissertationsschrift. ´Richters Vater war Dr. med. Salo ( Salomon ) Richter, seine Mutter war Valesca Richter, geb. Perls. Das Grab der Eltern ist auf dem jüdischen Friedhof Breslau, heute Wroclaw, erhalten.

Titelblatt der Dissertationsschrift, Arch H Je
Titelblatt der Dissertationsschrift, Arch H Je

Ausbildung und Wirkungsstätte

Während des Studiums arbeitete Richter 1888 als Unterassistent in der Breslauer Medizinischen Universitätsklinik bei Anton Biermer, dem Erstbeschreiber der perniziösen Anämie ( Morbus Biermer ). 1890 erhielt er die ärztliche Approbation. Im Januar 1891 wurde er mit der Arbeit „Experimentaluntersuchungen über Antipyrese und Pyrese, nervöse und künstliche Hyperthermie“ an der Breslauer Universität promoviert. Die Arbeit hatte er im dortigen Institut für Pharmakologie angefertigt, dessen Leiter, Wilhelm Filehne, in jener Zeit zur medikamentösen Fiebersenkung forschte.

Publikation Paul Friedrich Richters 1906
Publikation Paul Friedrich Richters 1906

Von 1894 bis 1910 arbeitete und forschte Paul F. Richter  an der III. Medizinischen Universitätsklink der Berliner Charité bei Hermann Senator. Zu seinen damaligen Mit-Assistenten an der Klinik Senators gehörten Hermann Strauß, Theodor Rosenheim und Heinrich Rosin, die  bei der Begründung der neuen Fachgesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten 1913/14 beteiligt waren.

1902 habilitierte  sich Richter an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin für das Fach Innere Medizin. 1921 erhielt er eine außerordentliche Professur für Innere Medizin an der Berliner Universität.

Von 1910 bis 1933 hatte Richter die Stelle des dirigierenden Arztes der Abteilung für Innere Medizin am Städtischen Krankenhaus Berlin-Friedrichshain inne. Seit 1923 war er konsiliarisch internistisch im Berliner Jüdischen Krankenhaus Adass Jisroel in der Elsässer Straße 85 tätig.

Im Mittelpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit standen Fragen der physiologischen Chemie, des Metabolismus bei Nieren- und Leberkrankheiten sowie der Diabetes mellitus. Publizistisch war Richter außerordentlich aktiv. Gemeinsam mit dem Stoffwechselforscher Alexander von Korányi publizierte er 1907/1908 das zweibändige Werk „Physikalische Chemie und Medizin“. Er verfasste unter anderem die Beiträge über „Funktionelle Nierendiagnostik“ und „Chronische Nephritiden“ in der vielbändigen Speziellen Pathologie und Therapie Innerer Krankheiten, Band 7, 1920, herausgegeben von Friedrich Kraus und Theodor Brugsch. 1928 erschien „Wie soll der Arzt in der Praxis Stoffwechselkrankheiten behandeln“ und 1931 „Insulintherapie bei Diabetes mellitus“.

Paul Friedrich Richter war seit 1925 Mitglied der Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten und gehörte dem Beratenden Ausschuss bis 1933 an. Auf seine Anregung geht zurück, dass die Tagungen der Fachgesellschaft seit 1924 im jährlichen Wechsel in Berlin und Wien stattfanden.

 

1933

Ob Richter im April 1933 aus seiner Funktion als Leitender Arzt der Abteilung für Innere Medizin am Städtischen Krankenhaus Friedrichshain in Berlin entlassen wurde oder ob der 65-Jährige sich „freiwillig“ in den Ruhestand zurückzog, ist nicht eindeutig dokumentiert. Richters „nicht-arischem“ Oberarzt in der Friedrichshainer Klinik, Dr. med. Harry Heller ( 1899 – 1967 ) wurde zum 31.3.1933 gekündigt. Richter beklagte in seinem Zeugnis für Heller, „dass durch seinen Weggang vom Krankenhaus eine hoffnungsvolle Laufbahn plötzlich unterbrochen wird“ ( vgl. Entschädigungsakte Dr. Harry Heller, Blatt M5 ). Heller konnte sich 1933 nicht mehr habilitieren. Er verließ Deutschland und erreichte 1934 über England Palästina, wo er in der Folgezeit leitende Krankenhauspositionen einnahm.

Mit dem 14.09.1933 wurde Richter wegen „nicht-arischer Abstammung“ die Lehrbefugnis an der Berliner Universität entzogen (§ 3 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 07.04.1933).

Entzug der Lehrbefugnis 1933, <br> Quelle: Archiv Humboldt Universität Berlin, Med. Fak. 1478, Bl. 129
Entzug der Lehrbefugnis 1933,
Quelle: Archiv Humboldt Universität Berlin, Med. Fak. 1478, Bl. 129

Paul Friedrich Richter starb 66-jährig am 08.10.1934 in Berlin. Seine Grabstätte ist bisher nicht bekannt.

Eigene Publikationen (Auswahl)

  1. Stoffwechsel und Stoffwechselkrankheiten. Einführung in das Studium der Physiologie und Pathologie des Stoffwechsels. Berlin: August Hirschwald Verlag 1906, 2. Auf., 1911
  2. Als Herausgeber gemeinsam mit A. v. Korany. Physikalische Chemie und Medizin, Ein Handbuch. Leipzig: Verlag von Georg Thieme, 2 Bände, 1907/1908.
  3. Indikation und Technik der Entfettungskuren, 2. Aufl. in: Sammlung zwangloser Abhandlungen aus dem Gebiete der Verdauungs- und Stoffwechsel-Krankheiten Band 1, H 4 , Halle: Marhold Verlag 1908, 1925.
  4. Wie soll der Arzt in der Praxis Stoffwechselkrankheiten behandeln. Leipzig: Verlag von Georg Thieme 1928.
  5. Mit Casper L. Funktionelle Nierendiagnostik, in: Handbuch der Urologie, Bd. III, v. Lichtenberg A, Voelcker F, Wildbolz H [Hg.] Berlin: Verlag von Julius Springer 1929

Beitrag:
Dr. med. Harro Jenss, Worpswede


Quellen und Literatur
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Quellen/Literatur/Weblinks

Biografie von Prof. Dr. med. Paul Friedrich Richter

Verzeichnis der Quellen

  • Richter P Experimentaluntersuchungen über Antipyrese und Pyrese, nervöse und künstliche Hyperthermie. Medizinische Dissertation Universität Breslau, Staatsbibliothek Berlin-Preußischer Kulturbesitz / SBB-PK Sign. Ja 4707, darin Lebenslauf, S. 48 f
  • Nachlass P. F. Richter, Universitätsarchiv Humboldt Universität Berlin ( UAHU ), o. Sign. u. o. Pag.
  • Universitätsarchiv Humboldt Universität Berlin / UAHU Berlin, UK Personalia R 127 und Medizinische Fakultät 1478 Bl. 129 [ Entzug der Lehrbefugnis 1933 ]
  • Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten [ LABO ] Berlin, Abteilung I / Entschädigungsamt, Entschädigungsakte Dr. med. Harry Heller, Reg. Nr. 69827 ( Darin Lebenslauf und Zeugnis für Dr. H. Heller von Prof. Dr. P. F. Richter vom 31. März 1933, Blatt M4 / M5 ]

Verzeichnis der Literatur

  • Fischer I. [ Hg. ], Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte der letzten fünfzig Jahre. Berlin – Wien: Urban & Schwarzenberg, Band 2, 1933, S. 1294
  • Kagan SR, Jewish Physicians. Boston: Medico-Historical Press 1952, S. 314
  • Pinn C. Jüdische Dozenten an der Berliner Universität, in: Ost und West. Illustriierte Monatsschrift für das gesamte Judentum 1910; 10: Sp 652
  • Schottländer R. Verfolgte Berliner Wissenschaft. Berlin: Edition Hentrich 1988, S. 128
  • Schleiermacher S. Schagen U. [ Hg. ] Die Charité im Dritten Reich. Zur Dienstbarkeit medizinischer Wissenschaft im Nationalsozialismus. Paderborn – München- Wien – Zürich: Ferdinand Schöningh Verlag 2008, S. 61
  • Doetz S. Kopke Ch. „und dürfen das Krankenhaus nicht mehr betreten“. Der Ausschluss jüdischer und politisch unerwünschter Ärztinnen und Ärzte aus dem Berliner städtischen Gesundheitswesen 1933-1945. Berlin: Hentrich & Hentrich 2018, S. 203/204 und S. 476

Verzeichnis der Weblinks


  • https://geschichte.charite.de/verfolgte-aerzte/biografie.php?&ID=336 [ Paul Friedrich Richter ], Stand 10.4.2024
  • http://aerzte.erez-israel.de/heller/ [ Dr. med. Harry Heller geb. 16.3.1899 in Berlin; Jüdische Ärzte und ihr Anteil am Aufbau des israelischen Gesundheitswesens ], Stand 10.4.2024